Matriarchatspolitik

Auf dem Boden der modernen Matriarchatsforschung können wir die Vision einer neuen matriarchalen, egalitären Gesellschaftsform entwickeln. Das wird „Matriarchatspolitik“ genannt.  

Dabei können wir heute klarerweise keine Muster übernehmen, die historisch vergangen sind, wie z.B. die blutsverwandten Clans oder die alleinige Ackerbau-Ökonomie. Denn Geschichte und soziale Entwicklungen lassen sich nicht zurückdrehen. Aber wir können von diesen jahrtausendelang erprobten Mustern matriarchaler, egalitärer Gesellschaften vielfältige Anregungen erhalten für unseren Weg in eine neue matriarchale, egalitäre Gesellschaft.  

 

So ist auf der ökonomischen Ebene keine weitere Steigerung der Großindustrien und des sog. Lebensstandards mehr möglich auf Gefahr hin, die Biosphäre der Erde vollends zu zerstören. Hier öffnet sich als Alternative die Subsistenzperspektive als Wirtschaftsform der kleinen und regionalen Einheiten, die grundsätzlich ökologisch ist. Dabei hat die Lebensqualität vor der Quantität unbedingten Vorrang. 

 

Auf der sozialen Ebene geht es darum, aus der weiteren Vereinzelung und Vereinsamung der Menschen in den Industriegesellschaften herauszukommen. Es geht um die Bildung wahlverwandter Gemeinschaften verschiedener Art, seien diese nun Lebensgemeinschaften oder Nachbarschaftsgemeinschaften oder Netzwerke. Wahlverwandtschaft bildet sich nicht durch bloße Interessengemeinschaft, sondern entsteht nur auf dem Boden einer spirituell-geistigen Übereinstimmung. Der Maßstab für diese neuen Sozialformen, die Frauen initiieren, sind die Bedürfnisse von Frauen und Kindern, welche die Zukunft der Menschheit sind, und nicht die Macht- und Potenzwünsche von Männern. Männer mit pro-sozialem Verhalten hingegen sind vollgültig integriert, denn auch sie orientieren sich an gegenseitiger Fürsorge und Liebe statt an der Macht.

 

Auf der Ebene der politischen Entscheidungsfindung ist die matriarchale Konsensfindung für eine wirklich egalitäre Gesellschaft unverzichtbar. Sie kann hier und jetzt, sofort und überall eingeübt werden.  Sie ist das impulsgebende Prinzip für matriarchale Gemeinschaftsbildung überhaupt, denn es führt zu tatsächlich basisdemokratischen Entscheidungen.

 

Auf der spirituell-kulturellen Ebene geht es um eine „Heiligung der Welt“ gemäß der matriarchalen Vorstellung, dass die ganze Welt mit allem, was darin und darauf ist, göttlich ist. Das führt dazu, auch alles auf eine kreative, freie Weise wieder zu ehren und zu feiern: die Natur mit ihren Erscheinungen, die Lebewesen und die Ordnung der menschlichen Gemeinschaften. Auf diese Weise kann matriarchale Spiritualität alles und jedes durchdringen und ein normaler Teil aller Tage werden.


MATRIARCHALES MANIFESTA

1. Wie ist die SITUATION der FRAUEN heute?

Hier ein Kurz-Zitat aus dem UNO-Bericht von 1980:

 

„FRAUEN sind die Hälfe der Weltbevölkerung, sie leisten fast zwei Drittel der Arbeitsstunden, sie erhalten ein Zehntel des Welteinkommens, und sie besitzen weniger als ein Hundertstel des Eigentums der Welt.“

(United Nations Report 1980)

      

Das ist ein SKANDAL! Aber niemand scheint sich darüber aufzuregen.

Wenn wir Frauen glauben, es hätte sich seither viel geändert, so täuschen wir uns.

 

Im Jahr 2010 nannte der Präsident des UNO-Wirtschafts- und Sozialrates folgende Zahlen:

 

„FRAUEN verrichten 66 % der Arbeitsstunden der Welt und produzieren 50 % der Nahrung.  Aber sie erhalten 10 % des Welteinkommens, besitzen 1 % des Eigentums, und sie stellen 60 % der ärmsten Menschen der Welt dar.“

(Hamidon Ali, UNO Pressekonferenz vom 25.06.2010)

 

Das war die Situation im Jahr 2000, im Jahr 2010, im Jahr 2018. Der UNO-Bericht zur Frau wird jedes Jahr veröffentlicht, aber nichts ändert sich.

Der SKANDAL setzt sich fort, und wir empören uns!

 

Deshalb verlangen wir eine gerechte Verteilung des Welteinkommens, das sich

im Volksvermögen jeder Nation ausdrückt. Wir fordern:

 

Das heißt: 50% des Volksvermögens gehören den Frauen und ihren Projekten.

Die Ökonomie wird in allen ihren Aspekten zu gleichen Teilen geteilt.

 

 

2. Was heißt MATRIARCHATSPOLITK heute?

Ökonomisch

  • Neue Subsistenz-Ökonomien schaffen, die lokal und regional verankert sind.
  • Subsistenz-Gemeinschaften versorgen sich überwiegend selbst und schaffenohne Zinsen entgegen der kapitalistischen Geldwirtschaft.
  • Land ist nicht käuflich und nicht privat, sondern Gemeinbesitz aller: Allmende. Es gehört der
  • Stadt oder dem Landkreis, für Häuser gibt es Baurecht, für Landwirtschaft Nutzungsrecht
  • Schenke-Ringe. Wo Geld noch nötig ist, dann nur als tauschbare Gutscheine,
  • Wohnen ist nicht käuflich: Alle haben ein Haus zum Wohnen. Keine Vermietung mehr.

 

Sozial

  • Neue Gemeinschaften schaffen, die auf Wahl-Verwandtschaft beruhen.
  • Sie bilden wahlverwandte Clans und verstehen sich als wahlverwandte Schwestern und Brüder.
  • Neue wahlverwandte Clans werden matriarchal, wenn sie von wahlverwandten Frauen/Müttern gegründet und geleitet werden: Frauen-Gemeinschaften, Frauen-Dörfer. Solche Clans sind die Grundeinheit der Gesellschaft, nicht die Kleinfamilie.
  • Die Clans/Gemeinschaften entwickeln Projekte oder Kooperativen; diese halten die Gemeinschaften zusammen und geben ihnen Dauer.

 

Politisch

  • Das matriarchale Konsens-Prinzip verwirklichen, das von größter Bedeutung für egalitäre Gemeinschaften und eine egalitäre Gesellschaft ist.
  • Auf diese Weise eine echte Basis-Demokratie schaffen mit Entscheidungen aller Menschen auf lokaler und regionaler Ebene (Delegierte nur als Vermittler).

 

Kulturell

  • Eine neue „Heiligung der Welt“, d.h. unserer Mutter Erde wieder mit Liebe und Achtsamkeit begegnen.
  • Alles Lebendige in der Welt wieder als “göttlich” gemeinschaftlich feiern, wobei alle eingeladen sind. Die Feiern verbinden die Menschen im Respekt vor dem „wahren Reichtum“: der Vielfalt in der Welt.
  • Keine religiösen Institutionen. Matriarchale Spiritualität durchdringt auf diese Weise alles und wird ein normaler Teil des Alltags.
     

                                                                                                           

3. Wie MATRIARCHATSPOLITK heute verwirklichen?

  • Grundsätzliche Forderung:  50% des Volksvermögens gehören den Frauen und ihren Projekten.
  • Erwerbstätige Frauen zahlen dieselben Steuern wie Männer. Millionen von Müttern arbeiten gratis. Aber 90% der Geldströme fließen in die Projekte der Männer: Militär, Wirtschafts-Konzerne, monumentale Ego-Architektur, riesige Sportstadien und -ereignisse. Das muss aufhören!
     

     

4. ERGEBNISSE dieser veränderten Situation

Ökonomisch

  • Frauen bauen lokale Subsistenz für sich und ihre Gemeinschaften auf: Gärten, Höfe, eigene Läden, eigene Verteiler. Tausch- und Schenke-Ringe.
  • Jede von Frauen gegründete Großfamilie/Gemeinschaft erhält oder baut sich ein eigenes Haus/Häuser, es werden Frauen-Dörfer errichtet.

 

Sozial

  • Frauen schaffen neue Gemeinschaften, blutsverwandt oder wahlverwandt,mit ihren Wahlschwestern und Wahlbrüdern. Mehrere Generationen leben zusammen, Mutterschaft ist gemeinschaftlich.
  • Keine Isolierung von Müttern in der Kleinfamilie, keine Vereinsamung von Menschen allerAltersstufen mehr.
  • Frauen gründen ihre eigenen Schulen, Akademien, technischen Hochschulen, Universitäten, sie vermitteln dort ihr eigenes Wissen, ihre eigenen Werte an alle.
  • Sie gründen ihr eigenes Heilwesen und ihre medizinischen Einrichtungen.

 

Politisch

  • Frauen organisieren und hüten das Konsensprinzip in ihren symbolischen Clans und Gemeinschaften. Sie organisieren es auch auf lokaler und regionaler Ebene.
  • Praktische Politik von unten, keine abstrakte Parteien-Politik mehr von oben.
  • Frauen haben ihre eigenen Ratsversammlungen und ihre eigene Selbstverwaltung: auf gemeinschaftlicher, lokaler uind regionaler Ebene. Dasselbe gilt für die Männer, und die Kommunikation zwischen Frauenräten und Männerräten findet auf egalitärer Ebene statt.
  • Frauen und Männer nehmen Abstand von Institutionen mit Männerherrschaft und unterstützen sie nicht länger.

     

Kulturell

  • Frauen haben ihre eigenen Verlage, Buchläden und Verteiler-Netzwerke. Sie haben ihre eigenen technischen Einrichtungen. Sie haben ihre eigenen Kunst-Galerien, Theater, Museen. Frauen schaffen ihre eigenen spirituellen Stätten, wo sie mit ihren Gemeinschaften die Erde und das Leben feiern.
  • Frauen und alle Menschen in ihren Gemeinschaften unterbinden die weitere Zerstörung der Umwelt, des Landes, der Gewässer, der Erde mit ihren Pflanzen und Tieren.

 

FRAUEN sind mit der Hälfte der Ökonomie, die ihnen gehört, nicht mehr nur „Geduldete“ in die Institutionen der Männer. Sie sind nicht mehr „Bettlerinnen“ für ihre eigenen Projekte.

Ihre Gründungen machen sie unabhängig von männlicher Dominanz, männlichen Werten und Weltbildern. Eine wahrhaft matriarchale Gesellschaft als egalitäre und lebensfreundliche entsteht!

 

 

5. Was ist jetzt ZU TUN?

  • Verbreite diese Information.
  • Schaffe eine Gruppe von Aktivistinnen.
  • Schreibe diesen UNO-Report und die Forderung für „die Hälfte der Ökonomie für Frauen“ auf ein Plakat und zeige es auf der Straße.
  • Schaffe eine Bewegung übers Internet.
  • Schaffe lokale, regionale, nationale Streiks von Frauen, die auf den zentralen Plätzen der Stadt zusammenkommen und „die Hälfte der Ökonomie für Frauen“ fordern.
  • Kontaktiere hochrangige Politikerinnen und gewinne sie dafür, diese Forderung zu unterstützen.
  • Und weitere Ideen von Dir selbst.

Die Broschüre "Matriarchales Manifesta" ist ausführlicher und kann bestellt werden bei der Akademie HAGIA: akademiehagia@aol.com

Lesen Sie mehr in:

Heide Göttner-Abendroth

Der Weg zu einer egalitären Gesellschaft.
Prinzipien und Praxis der Matriarchatspolitik

Drachen-Verlag 2008, zu beziehen bei Akademie HAGIA

Heide Göttner-Abendroth

Am Anfang die Mütter

Matriarchale Gesellschaft und Politik als Alternative,

Verlag Kohlhammer, Stuttgart, 2011